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«Der Vorschlag ist längst überfällig»

Bürgermeister bleibt dabei, Sportstättenentgelte für Vereine kräftig anzuheben

Autor
Dieter Babbe
 
Datum
20/12/2006
 
Quelle
Lausitzer Rundschau
 
Stichworte
freibad
schwimmhalle
Foto/Abbildung
Dieter Babbe

Diese Schwimmkunst-Knirpse erhaltenvon Vereinsvorsitzende Renate Engel, von Eik Franke und Nils Hartmann erprobte Tipps zum technisch sauberen Schwimmen. Der SV Neptun 08 trainiert in seiner Anfängergruppe bereits vier- und fünfjährige Mitglieder, nachdem sie in Turnhallenstunden ihre Eignung und Lust gezeigt haben. Startsprungübungen gehören ebenfalls zum Programm. Künftig, sollte das «Diskussionspapier» der Stadtverwaltung von den Stadtverordneten beschlossen werden, muss der Verein für diese Veranstaltungen deutlich tiefer in die Taschen greifen.

Finsterwalde. Bürgermeister Johannes Wohmann verteidigt – trotz mitunter heftiger Proteste – das Vorhaben der Stadt, die Entgelte insbesondere für Vereine, aber auch für Schulen, die die Sportstätten der Stadt nutzen, kräftig anzuheben. Weshalb macht man im Rathaus solch einen «dramatischen Vorschlag», wie der Bürgermeister es selbst formuliert – LR sprach darüber mit ihm.

Herr Wohmann, mit dem «Diskussionspapier» haben Sie tüchtig Wirbel ausgelöst. Wollen Sie mit den neuen Entgelten provozieren oder sind die ernst gemeint?

Auch wenn manche das vielleicht als Provokation auffassen, es ist ein notwendiger Vorschlag, der längst überfällig ist. Die Stadt ist in der Pflicht, die Entwicklung von Einnahmen und Ausgaben gut im Auge zu behalten und von Zeit zu Zeit zu überprüfen, wie sich die Kalkulationen verändert haben. Und da ist festzustellen, dass es auch bei den Sportstätten erhebliche Kostensteigerungen gegeben hat. Wir haben kein Recht, diese Zahlen totzuschweigen. Wir haben nichts anderes gemacht, als den Betrieb der Sportstätten kostendeckend darzustellen und daraus kostendeckende Gebühren abgeleitet. Sache der Stadtverordneten ist es jetzt, daraus eine neue Entgeltordnung zu beschließen – also einen politischen Preis festzulegen.

Eine neue Entgeltordnung für die Sportstätten ist überfällig, sagen Sie, weshalb wirft sie die Stadt gerade jetzt in die Debatte?

Weil wir vor allem bei der Schwimmhalle nach ihrer umfassenden Rekonstruktion die ersten Erfahrungen gesammelt haben. Wir wissen genau, was uns die Halle kostet, kennen die Einnahmen und müssen bei den Ausgaben feststellen, dass insbesondere die Energiepreise deutlich angestiegen sind. Das führt dazu, dass die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben immer weiter auseinander klafft. Das kann so nicht weiter gehen, da muss die Stadt gegensteuern.

Sie sprechen von einer «verdeckten Förderung» durch die Stadt und nennen 250.000 Euro, die den Vereinen jährlich zugute gekommen seien. Woher nehmen Sie diese Zahl?

Unsere Vereine zahlen ohnehin nicht kostendeckende Gebühren, wenn sie die Sportstätten nutzen. Hinzu kommt aber noch, dass sie weitere Abschläge gewährt bekommen, wenn Kinder und Jugendliche die Einrichtungen nutzen. Wir haben mal ausgerechnet: Damit zahlen Vereine im Extremfall lediglich bis zu vier Prozent der tatsächlich anfallenden Kosten. Das halten wir als Stadt finanziell nicht mehr weiter durch. Am Ende sind wir auf eine pauschale Förderung von 250.000 Euro gekommen – die sich wegen der Kostenexplosion bei Energie inzwischen sogar auf etwa 380.000 Euro erhöhen würden, wenn wir nicht gegensteuern. Hier müssen wir als Stadt auf die Bremse treten. Wir dürfen nicht vergessen: Hier geht es um hohe Summen, die nur einem geringen Prozentsatz der Bevölkerung zugute kommen – auf Kosten der deutlichen Mehrheit, die nichts davon hat.

Stadtverordnete, aber auch Vereine appellieren aber auch an die soziale Verantwortung der Stadt, die mit hohen Entgelten Kinder und Jugendliche aus den Vereinen und auf die Straße treibt, so wird befürchtet.

Die Stadt nimmt ihre soziale Verantwortung – vergleichsweise zu anderen Kommunen der Region – in vorbildlicher Weise wahr. Wir stellen aus dem städtischen Haushalt immerhin über 1,2 Millionen Euro für den Bäder- und Sportstättenbetrieb zur Verfügung. Das ist ein Batzen Geld, der uns auch weh tut, weil er uns woanders fehlt. Sozial kann doch aber nicht kostenfrei bedeuten - zu sozial ist unsozial, meine ich. Die Eltern müssen wissen, was es ihnen wert ist, wenn sie ihre Kinder in die Schwimmhalle, ins Stadion oder in die Sporthallen schicken. Für die Stadt steht die Frage wie für jede Familie: Was können wir uns leisten. Und wir können uns Subventionen in der Höhe nicht mehr leisten. Ich wünsche mir nicht, dass wir einmal gezwungen sein werden, eine Sportstätte zu schließen, weil wir sie nicht mehr bezahlen können. In vielen anderen Städten ist das bereits der Fall.

Die Stadt hofft, mit den neuen Entgelten über 82.000 Euro im Jahr mehr Geld einzunehmen. Ist das aber nicht eine Milchmädchenrechnung, wenn man davon ausgehen kann, dass die Zahl der Besucher aus den Vereinen deutlich sinken wird und Schulen aus dem Umland sich andere Schwimmhallen suchen.

Davon gehe ich nicht aus, weil der Beitrag für den einzelnen, um in einer städtischen Einrichtung seinem Hobby nachzugehen, immer noch erschwinglich bleibt. Sollten Vereine die Schwimmhalle nicht mehr in dem Maße nutzen, bleibt mehr Freiraum für die öffentlichen Badegäste, die vollen Eintritt bezahlen. Dieser Anteil der spontanen Badegäste, da bin ich mir sicher, wird steigen, wenn die Öffnungszeiten erweitert werden können und die gesamte Halle zur Verfügung steht. Aus diesem Grunde werden wir auch darüber nachdenken, ob wir den Schulen künftig Zeiten für den Schwimmunterricht vorgeben.

Eine Bahn in der Schwimmhalle soll künftig für Vereine 23,70 Euro statt jetzt 3,92 Euro kosten, eine Stunde in der Sporthalle an der Tuchmacherstraße von 3,54 Euro auf 18,31 Euro und auf dem Hauptplatz im Stadion von 3,38 Euro auf 71,50 Euro steigen. Wird es für den Vorschlag eine Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung geben?

Ich hoffe es. Je näher wir dem Wahlkampf kommen, schwindet meine Hoffnung allerdings. Ziel ist es, dass die neue Entgeltordnung zum nächsten Schuljahresbeginn im Sommer in Kraft tritt.

Unabhängig von dieser Entgeltordnung signalisiert man im Rathaus einen Schwenk bei der Vereinsförderung. Sie machen Unterschiede zwischen Sport- und anderen Vereinen – und sagen: Finsterwalde ist keine Sportstadt, sie ist eine Sängerstadt. Was bedeutet das?

Natürlich sind wir auch Sportstadt, wir sind Schulstadt und Einkaufsstadt sind wir auch. Aber zuallererst sind wir, was uns von anderen Städten unterscheidet, Europas einzige Sängerstadt. Dieses Alleinstellungsmerkmal müssen wir künftig mehr pflegen und jene Vereine mehr unterstützen, die dieses Image befördern, also in erster Linie Chöre. Wenn die Sportvereine eine jährliche städtische Förderung von 380.000 Euro durch subventionierte Entgelte genießen und die Chöre so gut wie nichts aus dem Stadthaushalt bekommen, ist eine Schieflage entstanden, die wir etwas gerade rücken müssen. Es ist doch ein Unterschied, wenn das Sängerfest Zehntausende Besucher anlockt, die auch ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor sind, oder bei einem Sportfest lediglich die Eltern oder Oma und Opa zugucken. Damit ist doch nichts gegen die Sportvereine und deren Arbeit gesagt, aber die Stadt kann sich nicht verzetteln.

Dabei ist auch die Rede davon, Vereinen künftig mehr als bisher für konkrete Projekte finanziell unter die Arme zu greifen.

Das beinhaltet ja bereits unsere jetzige Vereinsförderrichtlinie. Sie unterstützt nicht den laufenden Betrieb der Vereine, sondern würdigt, wenn sie öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen organisieren. Wenn wir unsere Entgeltordnung korrigieren und damit wegkommen von der pauschalen Förderung haben wir mehr Geld zur Verfügung, um einzelne Projekte zu fördern.

Wie geht es mit dem Schwimmstadion der Freundschaft am Ponnsdorfer Weg weiter?

Das muss auf Verschleiß gefahren werden. Das heißt, wir werden keine größeren Reparaturen und Instandhaltungen mehr vornehmen. Das können wir angesichts der geringen Besucherzahlen nicht mehr rechtfertigen. Unser Ziel ist es, ein Außenbecken an der Schwimmhalle zu errichten, dazu ist im Haushalt 2007 zunächst Geld für die Planung eingestellt. Unser Ziel ist es, das Schwimmstadion erst zu schließen, wenn das Freibecken an der Schwimmhalle fertig ist. Havarien oder größere Schäden im Schwimmstadion können diesen Plan allerdings durchkreuzen.

Hätte man nicht besser gleich eine neue Schwimmhalle und die auf dem großen Gelände des Schwimmstadions bauen sollen – und das dann später rekonstruieren?

Das war ja unsere Absicht. Doch das EU-Förderprogramm war mit «Bestandssanierung» überschrieben. Wir mussten also die alte Schwimmhalle modernisieren, sonst hätten wir keine Förderung bekommen. Wir hatten damals das Geld nicht, um gleichzeitig mit der Modernisierung das neue Freibecken anzubauen – lediglich im Keller sind bereits die Voraussetzungen für die Technik geschaffen worden, die die Stadt nicht gefördert bekam.

Übrigens, wie oft nutzen Sie eigentlich die Finsterwalder Sportstätten?

Ich habe mir vorgenommen, einmal im Monat in die Schwimmhalle zu gehen, das klappt aber aus terminlichen Gründen nicht immer.

Meinen Sie, das reicht, damit sich die Halle für die Stadt besser rechnet?

Sicher nicht. Ich alleine werde das nicht schaffen. Ich habe mir allerdings vorgenommen, im nächsten Jahr regelmäßiger schwimmen zu gehen.



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