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«Ich bin sprachlos, mehr als sprachlos»

So reagierte Kreissportbundchef Leißner auf Wohmanns Worte zur Sportförderung

Autor
Dieter Babbe
 
Datum
21/04/2007
 
Quelle
Lausitzer Rundschau
 
Stichworte
schwimmhalle
schwimmstadion

Der «Fahrplan» Entgeltdebatte – wie geht’s jetzt weiter?

In der Mai-Sitzung des Werksausschusses wird die Stadtverwaltung Zahlen über die Kosten der Sportstätten im vorigen Jahr vorlegen. Danach will man eine Vorlage erarbeiten und in den politischen Gremien zur Diskussion stellen, kündigte der Bürgermeister die Verfahrensweise an.

Finsterwalde. Die von der Stadtverwaltung geplante deutliche Anhebung der Sportstättengebühren verunsichert weiter die Vereine der Sängerstadt, manche fürchten deshalb gar um ihre Existenz. Ein Grund wohl auch, weshalb viele in dieser Woche der SPD-Einladung zum «Finsterwalder Sportgespräch» bei der Spielvereinigung folgten, wo im großen Vereinsraum kaum ein Stuhl leer blieb. Wer allerdings hoffte, vom Bürgermeister konkrete Angaben zu den neuen Preisen zu erfahren, war am Ende enttäuscht – auch diese Runde blieb ein Reden um den heißen Brei. Und dennoch war schon deutlicher erkennbar, wohin die Reise bei den Sportstättengebühren gehen wird. Erstmals konkretisierten Stadtverordnete ihre Meinungen öffentlich dazu – die zum Teil weit auseinander gehen. Auch zwischen dem Kreissportbund-Chef und dem Bürgermeister gab es einen heftigen Disput.

Johannes Wohmann rückt von seinem Standpunkt nicht ab: Die kommunale Finanzlage spitzt sich auch in Finsterwalde immer mehr zu. Bereits für den Haushalt 2006 war der Ausgleich nur mit Müh’ und Not hinzubekommen. Für nächstes Jahr steht wegen geringerer Schlüsselzuweisungen noch weniger Geld zur Verfügung. Andererseits explodieren die Kosten gerade auch bei den Sportstätten, deren Nutzung durch die Vereine eine freiwillige Aufgabe für die Stadt ist. «Wir können nicht mehr Geld ausgeben, als wir haben», brachte es der Bürgermeister auf den Punkt. In dem Zusammenhang ging Wohmann mit dem Bundespräsidenten hart ins Gericht, der in der Einladung zum «Sportgespräch» mit den Worten zitiert worden ist: «Sport ist ein Grundnahrungsmittel». Für ihn sei das ein «alberner, ein trivialer, ein populistischer Spruch», den er so wohl kaum gesagt habe. Dem Köhler-Nachsatz, dass das Sporttreiben für jeden bezahlbar sein müsse, stimmte der Bürgermeister dagegen zu – «aber bezahlbar für jeden, auch für die Stadt». Aus der Stadtkasse fließen in diesem Jahr 1,4 Millionen Euro als Zuschuss in die Finanzierung der städtischen Sportstätten. Wohmann zweifele daran, ob die Stadt auch künftig in der Lage sein werde, so spendabel zu sein – angesichts auch des «Riesenbedarfs» an Geldern für dringende Investitionen in die städtische Infrastruktur. Einen vergleichsweise kleinen Kreis von Bürgern, die in Vereinen Sport treiben, auf Kosten der Mehrheit der Bevölkerung mit dermaßen viel Geld zu fördern, hält Wohmann für ungerecht. Und: «Zu sozial ist unsozial.» Zumal eine weitere Schieflage dadurch entstehe, dass andere, wie kulturelle Vereine kaum oder keine städtische Förderung genießen würden. Bis auf 50 Prozent der tatsächlichen Kosten will der Bürgermeister in der neuen Entgeltverordnung für Sportstätten auf die Vereine umlegen. Damit würde es zu einem deutlichen Anstieg der Gebühren kommen.

Angesichts solcher Äußerungen sei er «sprachlos, mehr als sprachlos», meinte Detlev Leißner, der Vorsitzende des Kreissportbundes, zugleich SPD-Kreistagsabgeordneter, Neu-Finsterwalder und erklärter Bewerber um den Bürgermeisterstuhl bei der Wahl 2009. Wohmann habe «die Bedeutung des Sports nicht erkannt». Der Bundespräsident habe ihn tatsächlich als Grundnahrungsmittel bezeichnet, und auch er stehe dazu, so Leißner. Breitensport, wie auch die Kultur, könne man nicht unter kalkulatorischen Gesichtspunkten betrachten. Eine Hallenstunde koste in Deutschland zwischen 60 und 80 Euro – die könne man nicht auf die Vereine umlegen, auch nicht zur Hälfte, «dann können wir 90 Prozent der Sportstätten schließen und wir machen die Vereine tot». Mit der Wohmannschen Argumentation müsste der Kreis, der 30 Millionen Schulden habe, auch ein Campus-Modell für das Sängerstadt-Gymnasium ablehnen, konterte Leißner. Er schlug der Stadtverordnetenversammlung vor, zur neuen Entgeltverordnung eine von der Verwaltung unabhängige Vorlage zu erarbeiten, in der die Betriebskostenabrechnung keine Rolle spiele, um so einen politischen Willen zu dokumentieren und nur solche Entgelte festzulegen, die von den Vereinen verkraftbar seien.

Dieser Vorschlag stieß beim Bürgermeister auf heftigen Protest. Die Sportstätten mit der Campus-Idee zu vergleichen sei unredlich. Während beim Campus in Bildung und damit in die Zukunft investiert werde, würde das Geld, steckt man es in die Sportstätten zur Vereinsförderung, «verfressen». Eine Vorlage ohne Rücksicht auf die Kosten vorzulegen sei ein Rückfall in die DDR, «die auch wegen einer solchen Politik sang- und klanglos unterging».

Während auch er den Leißner-Vorschlag «als Erste Hilfe für die Stadtverordneten» für ungeeignet halte, stimme er «vorbehaltlos» dem Bürgermeister in der Sache zu, erklärte der Abgeordnete Dieter Thor (CDU). Die Finanzierung von Sportstätten für Vereine sei eine freiwillige Aufgabe – «und wenn ich das Geld dafür nicht habe, kann ich es nicht ausgeben, so einfach ist das». Erst wenn die Kostenanalysen vorlägen werde seine Fraktion «verantwortungsvoll» über die Gebühren diskutieren und für eine «moderate Kostenerhöhung» stimmen. Worauf Hannelore Elmer, SPD-Fraktionsvorsitzende und an diesem Abend Versammlungsleiterin, kurz und bündig erklärte: «Unsere Meinung ist das nicht. Man kann nicht nur nach dem Geld gucken. Wir müssen wissen, was wir politisch wollen.»

Die Vertreter der Vereine appellierten in der Runde (wie im Januar bereits bei der PDS.Linkspartei) noch einmal an die Stadt, vor allem Kindern und Jugendlichen weiterhin das Sporttreiben in den Vereinen zu ermöglichen – damit die am Ende nicht auf der Straße landen und «den Markt demolieren», wie Lars Trossert eine Konsequenz befürchtet. Es kamen aber auch Vorschläge, Sportstätten zu privatisieren – wir berichten noch. Als Stadtverordnete und Übungsleiter sei es für sie schwer, die Balance zu halten, meinte Marlies Homagk. Sie habe bei der Entgelt-Diskussion aber das Gefühl, «ein schlechtes Gewissen haben zu müssen, im Sportverein zu sein und mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten. Die Art und Weise wie mit ehrenamtlichen Leuten umgegangen wird tut weh», war ein unmissverständlicher Seitenhieb an die Adresse der Stadtverwaltung. Hannelore Elmer wollte diesen Satz als Schlusswort des Abends, als die bis dahin sachliche Debatte sich zuzuspitzen drohte, «so stehen lassen».



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