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Doppelturnhalle vor 75 Jahren eingeweiht

Positives Signal in schwierigen Zeiten

Autor
Dr. Rainer Ernst
 
Datum
28/06/2003
 
Quelle
Lausitzer Rundschau
 
Stichwort
geschichte
Foto/Abbildung
Dr. Rainer Ernst

Die Doppelturnhalle auf einer Fotopostkarte aus dem Jahr 1929.

Finsterwalde. Dass Finsterwalde mit großer Berechtigung nicht allein das Attribut Sängerstadt, sondern ebenso die Bezeichnung Sportstadt führen dürfte, kann kaum bestritten werden.

Auch in den früheren Jahrzehnten frönten zahlreiche Jünger des Turnvaters Jahn dem edlen Vergnügen der Körperertüchtigung und der Leibesübungen. Allerdings standen ihnen lange Zeit nur zwei überdachte Übungsstätten zur Verfügung: Die 1895 errichtete Halle des Vereins «1862» und die 1913 mit dem Bau der Knabenschule geschaffene Schulturnhalle. War dieser Übelstand für die Hobby- und Freizeitsportler schon unangenehm, so war er für den Turnunterricht geradezu unerträglich. Die Schüler der Mädchenvolksschule, der Mädchenmittelschule und der Realschule benutzten diese Hallen mit. Überbelegungen konnten kaum vermieden werden, oftmals fanden die lehrplanmäßigen Turnstunden in den Klassenzimmern oder der Aula der Mädchenschule statt oder sie fielen wegen Raummangels ganz aus. Dabei hätte die Realschule längst eine eigene Halle haben müssen, ja die Regierung stimmte 1903 dem Neubau in der Friedrichstraße nur unter der Bedingung zu, sogleich eine Turnhalle für diese Bildungseinrichtung zu bauen. Aber noch 1908, da lag die Einweihung des Schulhauses schon drei Jahre zurück, konnte der Finsterwalder Magistrat eine erneute Forderung der Provinzialbehörden nach Errichtung einer Turnhalle nur mit vertröstenden Worten begegnen. Der Erste Weltkrieg und die schwere Nachkriegszeit mit Hyperinflation und sich jagenden politischen Krisen ließen schon gar keine Lösung der prekären Schulsportsituation zu. Erst mit dem Einsetzen der Konsolidierung von Wirtschaft und Gesellschaft konnte auch in Finsterwalde daran gedacht werden, diese alte Aufgabe anzugehen.

1926 beschlossen die Stadtverordneten zunächst, einen relativ kleinen Flachbau zu errichten. Nach Intervention zahlreicher Turnvereine ließ man allerdings diesen Plan fallen und strebte eine großzügige – und wie sich zeigt – zukunftsfähige Lösung an. Es sollten zwei Turnhallen in einem Gebäude vereinigt werden, das in Zweitfunktion der Stadt auch als Feierhalle dienen konnte. Das Vorhaben, einschließlich der Finanzierung über Anleihen, wurde am 8. März 1927 im Konsens der Stadtverordneten aller Fraktionen getragen. Damit wollten Magistrat und Parlament in durchaus nicht leichten Zeiten, ein optimistisches Zeichen gerade auch für die Jugend setzen und, was nicht unterschätzt werden darf, durch die öffentliche Hand Aufträge und Arbeitsmöglichkeiten für das örtliche Gewerbe bieten. Mit dem Entwurf der Pläne wurde der Berliner Regi erungsbaumeister a. D. Kurt Vogeler, der zur gleichen Zeit auch mit dem Neubau der Sparkasse betraut war, beauftragt.

Die ausführenden Firmen kamen größtenteils aus Finsterwalde, die rund 100 000 vermauerten Klinkersteine waren ein Produkt der im Raum Senftenberg ansässigen Ilse Bergbau AG.

Am 24. Juni 1928, also nach nur einjähriger Bauzeit, konnte die Doppelturnhalle, deren obere Etage in erster Linie für die Realschüler und deren untere vorwiegend für die Mädchenschule reserviert war, eingeweiht werden. Geradezu euphorisch hieß es im «Volksblatt für die westliche Niederlausitz» : «Ist der äußerliche Eindruck dieses neuen Bauwerkes unserer Stadt schon ein gewaltiger, so wetteifert die Innenausstattung mit der äußeren Aufmachung und wir können ohne Selbstüberhebung wohl sagen...dass hier etwas Vorbildliches geschaffen» wurde.

63 Jahre später erfolgte nach einjähiger Renovierung und Umbau am ersten Tag der Deutschen Einheit die Wiedereinweihung der Doppelturnhalle. Die kleine Festrede von Bürgermeister Wohmann ist nicht überliefert, aber sicherlich hätte er den Weiheworten seines Vorredners aus dem Jahre 1928, dem damaligen Bürgermeister Georg Geist, zustimmen können: «Durch Herrschaft über Körper und Geist zur Freiheit über uns selbst und in uns selbst.»



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