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Ein extremer Verein: „Nullacht Finsterwalde“

Traditionsverein der Sängerstadt und größter Verein des Kreises wird 1998 neunzig und denkt daran

Autor
Christian Homagk
 
Datum
15/01/1998
 
Quelle
Lausitzer Rundschau
 
Stichwort
geschichte

Finsterwalde. Irgendein deutsches Gericht hat dieser Tage allen Ost-Sportvereinen das Recht abgesprochen, das Gründungsdatum ihrer bürgerlichen Vorgänger in ihrem Namen zu nennen. Sie seien, so die beamteten Klugen, während der DDR-Jahre gar keine Vereine bürgerlichen Rechts gewesen. Wie wahr! Und dennoch: Wie irrig!

Damals und jetzt

Was die Sportgemeinschaften taten, war sehr wohl im Sinne der Vereins-Gründer von anno dazumal. Oftmals trugen die gleichen Leute die Last, dienten und dienen (!) sie, ganz gleich, welche Hemden anzuziehen ihnen die Tagespolitik gebietet. Damals. Jetzt. Beispiel Neptun 08: Der Finsterwalder Schwimmverein von 1908 hat während seiner DTSB-Jahre sehr wohl die Traditionen gepflegt. 1972 gab es Veranstaltungen zum halben Jahrhundert „Freie Schwimmer“. 1983 wurde des „Dreiviertel-Jahrhunderts Schwimmsport Finsterwalde“ gedacht. 1988 starteten ganz Alte und sehr Junge in einer 80 x 80 m-Staffel anläßlich des Jubiläums „Acht Jahrzehnte Sportschwimmen hierzulande“. Und Arbeiterschwimmer und „Nullacht“-Leute waren immer dabei. Hanne Weinert, Hans Lehmann, Arthur Lange, Gerda Thomas-Bradtke, Rudolf Smalla mögen mit ihren Namen dafür Beispiel sein.

Dann starb die vierzigjährige „Deutsche Demokratische Republik“. Wir werden „Bundesrepublik“. Als 1990 die Neugründung von Sportvereinen nach für uns hier neuem Recht geboten war, übernahm die erweiterte Sportlerschar aus der Schwimmsektion der Feintuch-Betriebssportgemeinschaft „Fortschritt“ die Jahreszahl und das Vereinsabzeichen vom alten „SC 08“. Sie veränderte jedoch den Namen, weil aus dem sachbeschränkten Schwimm-Club inzwischen ein Mehr-Sparten-Sportverein zu werden sich abzeichnete. Und diese Neu-Besinnung und Neu-Benennung erwies sich als gut und rechtens, auch wenn da zum Jahresende 1997 von einigen Recht-Habern anderes verlautete.

Spaß für 483 Mitglieder

Knapp 500 Mitglieder: Für Maxi Kling als Allerjüngste (gerade 30 Monate alt) und für Kurt Bischof als Allerältesten (nach seinem 97. Geburtstag) spielen diese Rechtsfragen keine Rolle. Für sie ist interessant, ob es „richtig Spaß“ macht. Und den haben sie alle, die inzwischen 483 Mitglieder in den zehn Abteilungen. Sie zahlen ihren 60-DM-Beitrag willig, meistens pünktlich, und nehmen eigentlich nur nebenbei zur Kenntnis, daß „Neptun 08“ größter Verein der Stadt geworden und wohl auch des Elbe-Elster-Kreises ist.

Frauen haben das Sagen

Ein weiteres Extrem: trotz des Weggangs der Fußball-Damen zu Grün-Weiß hat die Mitgliederzahl zugenommen. Mehr Frauen, mehr Senioren. mehr Schwimm-Kinder, mehr Basketballer. Und alle angeleitet von einem ehrenamtlichen Vorstand, in dem Frauen das Sagen haben. Fast zwei Jahrzehnte führen Marlies Homagk (als Vorsitzende) und Gudrun Hartmann (als Finanzerin) die Geschäfte, über die Wende hinweg, und die Fußballer um Uwe Kupillas, die Vollevballer um Paul Sauermilch, die Läufer um Rudi Lehmann haben mit dem Frauen-Regime keinerlei Probleme. Die vielen Gymnasiasten und Tänzerinnen sowieso nicht, auch nicht die Basketballer um Constance Eiser, die Rettungsschwimmer um Marion und Christian Zeyßig.

Die Kreisrekorde im 10.000 m Lauf werden von Neptun-Leuten gehalten. Die Triathleten haben oberste Landes-Titel erkämpft. Die Sportschwimmer um Jürgen Hartmann erringen alljährlich etliche Landesmeisterschaften. Die Wasserballer um Angela Wittig und Jörg Gampe sind 1997 Landes-Vize im Pokal geworden. Die Volkssport-Fußballer stehen bei eigenen oder fremden Turnieren meist im Endspiel. Doch sind diese Spitzen-Leistungen nicht das Wichtigste in diesem Verein, viel mehr ist es die Freude am Sport ganz allgemein. Spaß kommt aus der Leistung, aus dein Miteinander von Alt und Jung. Es kommt aus der oftmaligen Begegnung. aus der gemeinschaftlichen Anstrengung. Ganz wesentlich auch aus dem Wissen um die Gesundheit, die sich aus diesem Tun erhält. Der Sportverein „Neptun 08“ macht, so sein Motto, heiter weiter.

Zu den jüngsten Mitgliederzugängen zählen die von Kurt Bratz (11 Jahre) aus Herzberg, und von Horst Linke (65) aus Hoyerswerda. Die beiden Weit-Reisenden kamen zum Verein, weil die vielfältigen Unternehmungen und die ausgefallenen Wettkampfangebote sie lockten. Die Jungen reizt der Extrem-Sport Triathlon, die Älteren der Duathlon. Bei ihnen zu Hause gibt es die nicht. Sie werden inmitten der Finsterwalder teilnehmen am Finsterwalder Dutzend, dem Delphinchen-Fest, an der Tria-Hatz in der Sängerstadt.

Auch woanders dabei

Der Verein hat auch bei auswärtigen Veranstaltungen seine Finger im Spiel, beim Teich-Zweier in Hennersdorf, beim Teich-Dreier in Rückersdorf, beim Sportjugend-Spielfest in Tröbitz, beim Glashütten-Duathlon in Schönborn, beim Cri-Ki-Tri in Crinitz. Er ist dabei Partner der einheimischen Sportfreunde und exportiert seine Organisationskraft und seine Veranstaltungsteilnehmer. So will er es auch fortan halten, unter dem Traditionsnamen „Nullacht Finsterwalde“!



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